
AHäu Seppenrade: Ein Zuhause mit Gemeinschaft
Mit dem Projekt AHäu („Ambulantes Wohnen in der eigenen Häuslichkeit“) bietet das Sozialwerk St. Georg eine besondere Form des betreuten Wohnens für Menschen mit psychischer Erkrankung an. Nach dem erfolgreichen Start des ersten AHäus in Gelsenkirchen wurde 2024 auch der Standort Seppenrade etabliert – mit einem eigenen, ganz besonderen Charakter.
Das Haus in Seppenrade verbindet selbstbestimmtes Leben mit individueller Unterstützung und einem hohen Maß an Gemeinschaft. Zehn Menschen mit Assistenzbedarf leben hier in Einzelzimmern mit eigenem Bad und teilen sich großzügige Gemeinschaftsbereiche. Unterstützt werden sie vom ambulanten Team des Sozialwerks, das täglich vor Ort ist und eine Rufbereitschaft bietet – intensiver als im klassischen Ambulant Betreuten Wohnen (BeWo), aber zugleich selbstbestimmter als in einer besonderen Wohnform.
Miteinander auf Augenhöhe
Ein zentraler Erfolgsfaktor: Die Gruppe wuchs bereits vor dem Einzug zusammen. Fachleiterin Sandra Sonnenberger, die das Projekt von Beginn an mitgestaltet hat, organisierte regelmäßige Treffen der zukünftigen Bewohner:innen – ein Prozess, der gegenseitiges Vertrauen und Verantwortung förderte: „Die Auswahl der Mitbewohner:innen erfolgte gemeinsam. Wir haben uns bewusst Zeit gelassen und die Entscheidung bei den Menschen selbst gelassen: Passt das für mich? Kann ich mir das vorstellen?“, so Sonnenberger.
Der Ansatz trägt Früchte: Die Bewohner:innen leben heute ein aktives Miteinander, kochen gemeinsam, führen eine selbstverwaltete Haushaltskasse und haben einen eigenen Putzplan entwickelt. Unterstützung ist keine Einbahnstraße – sondern wird untereinander weitergegeben: Wer einmal Begleitung beim Busfahren brauchte, begleitet heute andere. „Ich fahre mit dir – ich kann das jetzt alleine“, sagte ein Bewohner zu einem neuen Mitbewohner mit ähnlicher Angst. Diese gelebte Solidarität macht das AHäu zu mehr als nur einem Wohnangebot.
Vielfalt als Stärke
Die zehn Menschen, die im AHäu Seppenrade leben, bringen unterschiedliche Lebensgeschichten mit: Einige kommen aus der Jugendhilfe, andere aus stationären Einrichtungen, manche lebten zuvor allein. Auch das Altersspektrum ist groß – von 19 bis 63 Jahren. Gerade diese Vielfalt bereichert das Zusammenleben.
Zugleich ist das AHäu gut in das bestehende Angebot vor Ort eingebunden: Die persönliche Assistenz erfolgt durch Mitarbeitende aus dem ambulanten Team in Seppenrade, die auch die anderen BeWo-Klient:innen begleiten. Es gibt einen regen Austausch: Gruppenangebote werden gemeinsam genutzt, gemeinsame Aktivitäten gefördert.
Teilhabe im Sozialraum
Ein zentrales Anliegen des Projekts ist die Teilhabe am Leben im Ort. So entstand aus einem nachbarschaftlichen Waffelnachmittag mit den angrenzenden Senior:innenwohnungen eine unerwartete Kooperation: Zwei Klienten helfen nun regelmäßig bei der Pflege von Rosenbeeten im bekannten Rosengarten von Seppenrade – gemeinsam mit dem örtlichen Heimatverein.
Daraus entwickelten sich weitere Ideen: Eine Bewohnerin, ausgebildete Märchenerzählerin, möchte künftig Erzählrunden für Hausbewohner:innen anbieten. Andere interessieren sich für eine Mitgliedschaft im Heimatverein. Sandra Sonnenberger denkt schon weiter: „Wir möchten den Sozialraum aktiv erschließen und zum Beispiel mit der Suchtberatung der Caritas zusammenarbeiten.“ Auch ein Gespräch mit dem Bürgermeister hat bereits stattgefunden – mit konkreten Ideen, wie die Wiese hinter dem Gebäude künftig gemeinsam genutzt werden kann, etwa mit einer Boulebahn oder generationenübergreifenden Sportgeräten.
Das AHäu Seppenrade zeigt, wie Ambulant Betreutes Wohnen aussehen kann, wenn es individuell, gemeinschaftlich und sozialraumorientiert gedacht wird. Es steht für Selbstbestimmung, Zusammenhalt – und für das Vertrauen, dass Menschen mit psychischer Erkrankung ihr Leben gestalten können, wenn man ihnen den Raum, die Zeit und die richtige Unterstützung bietet.